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Frauen im Beruf: Wie die sozialistische Vergangenheit der DDR westdeutsche Mütter beeinflusst hat

Beziehung & Freundschaft

Deutsche Teilung

Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung sehen wir noch immer große Unterschiede in den Rückkehrentscheidungen ost- und westdeutscher Mütter. Sozialversicherungsnachweise zeigen, dass viele ostdeutsche Frauen ein Jahr nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Beruf zurückkehren – ganz im Sinne des Verhaltens von Müttern in der ehemaligen DDR, wo Müttern ein „Babyjahr“ bezahlter Mutterschaftszeit angeboten wurde.

Westdeutsche hingegen kehren viel später zurück, oft erst nach drei Jahren, dann endet der Kündigungsschutz. Zudem arbeiten westdeutsche Mütter tendenziell weniger Stunden.

Solche Unterschiede führen zu großen Einkommensunterschieden: Sieben Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes haben westdeutsche Mütter nur 45 % ihres vorgeburtlichen Einkommens wiedererlangt, während ostdeutsche 70 % ihres vorgeburtlichen Einkommens erhalten – vergleichbar mit Müttern in Deutschland USA und Schweden.

Interessanterweise hat sich die ostdeutsche Kultur mehr erhalten als die westdeutsche. Ostdeutsche Migranten in Westdeutschland halten an den Überzeugungen und Werten ihres Kindheitsumfelds fest und verhalten sich auch nach mehreren Jahren in einem westdeutschen Umfeld entsprechend ihrer ostdeutschen Erziehung. Die Untersuchung impliziert, dass für Frauen, die in einer geschlechteregalitäreren Kultur aufgewachsen sind, die Überzeugungen und Werte ihrer Kindheit eine wichtigere Rolle (68 %) bei der Gestaltung von Berufsentscheidungen als frischgebackene Mütter spielen als ihr aktuelles kulturelles Umfeld (32 %).

Im Gegensatz dazu übernehmen westdeutsche Mütter in Ostdeutschland die Normen ihres aktuellen kulturellen Umfelds und passen ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt fast vollständig an die ihrer ostdeutschen Kolleginnen an. Bemerkenswerterweise gilt dies auch dann noch, wenn diese Frauen nach Westdeutschland zurückkehren und in dem geschlechtstraditionellen Umfeld gebären, in dem sie aufgewachsen sind.

A student couple and their three children, Leipzig, East Germany, 1984. German Federal Archives, CC BY-SA

Kultureller Wandel

In vielen Ländern ist es für Mütter normaler geworden, zu arbeiten. In unserem Beitrag dokumentieren wir, dass ein enger Kontakt zwischen Frauen aus traditionellen und eher geschlechtsneutralen Kulturen das Potenzial hat, einen solchen kulturellen Wandel zu beschleunigen.

Unsere Forschung zeigt, dass die Migration von ostdeutschen zu westdeutschen Arbeitsplätzen einen kulturellen Wandel vor die westdeutschen Haustüren gebracht hat und westdeutsche Mütter, die ihre eigene Gegend nie verlassen haben, betroffen hat. Wir fanden heraus, dass westdeutsche Mütter, die in westdeutschen Firmen mit einem großen Zustrom von Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung arbeiteten, früher an den Arbeitsplatz zurückkehrten als westdeutsche Mütter, die in Firmen ohne Ostdeutsche arbeiteten. Außerdem scheint der große Zustrom ostdeutscher Arbeitnehmer nach 1990 die westdeutschen Arbeitsplätze familienfreundlicher gemacht zu haben.

Insgesamt hat die ostdeutsche Kultur in Bezug auf die Rolle der Frau ein bleibendes Erbe hinterlassen, obwohl Ostdeutschland westdeutsche Institutionen übernommen hat. Ostdeutsche Frauen, die in die eher geschlechteregalitäre Kultur hineingeboren wurden, verhalten sich auch Jahrzehnte nach dem Mauerfall entsprechend.

Nach 1990 reiste die ostdeutsche Kultur sogar nach Westen und veränderte die Normen und Arbeitspraktiken jener Westdeutschen, die eng mit Ostdeutschen interagierten. Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel im Jahr 2005 hat Deutschland einen großzügigen einjährigen Mutterschaftsurlaub eingeführt, darunter zwei Monate für den Vater.

Es wurde auch stark in den Ausbau der universellen Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren investiert. Es bleibt abzuwarten, wie diese jüngsten Fortschritte in der Familienpolitik, die denen der ehemaligen DDR bemerkenswert ähnlich sind, die Konvergenz der Normen und des Arbeitsangebotsverhaltens von ost- und westdeutschen Frauen, die nach dem Mauerfall geboren wurden, erhöhen werden.

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